Ich bin vor einigen Jahren im Dezember in einem Park spazieren gewesen. Häufig verlasse ich die üblichen Wege und gehe auf Erkundungstour. Das ist eigentlich nur im Winter möglich, denn die Äste haben keine Blätter mehr, die Gräser haben sich zurückgezogen und alles ist auf seine Grundstruktur zurückgeworfen. Es entstehen viel mehr Zwischenräume zum Entdecken.

Jede Jahreszeit kleidet den Wald in seine eigene Realität und je nach Quartal sind die Aufgaben und Ressourcen für die einzelnen Lebewesen ganz unterschiedlich. So auch für uns als Mitarbeitende in Organisationen.

Wir sind angekommen auf dem Weg zur längsten Nacht. Das Licht wird jeden Tag weniger und die Traumwelt wird deutlicher. Die Bäume werfen ihre letzten Blätter ab, das Laub beginnt sich am Boden zu zersetzen und die Pilze klettern mit ihrem moosigen Duft die Rinden empor. Fast alle Lebewesen ziehen sich zurück, gehen in Winterruhe, verlangsamen ihre Rhythmen, werden träge und fast ein bisschen zeitlos.

Ich kenne viele Menschen, die unter Winterdepression leiden, sich fürchten vor der Abwesenheit des Lichts, sich den blühenden Sommer zurücksehnen und den grauen Himmel verteufeln. Ein Ökosystem und auch das Nervensystem werden durch Aktivierungsvarianz resilient. Indem wir verschiedene Phasen von Hochs und Tiefs durchlaufen, werden wir stärker. Nur die Ruhe des Winters erlaubt dem Baum die Knospen im Frühjahr hervorzukatapultieren. Je besser wir als Mensch zwischen Entspannung und Aufregung bzw. Begeisterung hin- und herwechseln können, desto gesünder sind wir. In unserer Wirtschaftskultur gibt es allerdings eine klare Vorliebe für den Sommer. Überspitzt formuliert, möchten wir am liebsten immer in Fülle sein und die ganze Zeit die Erfahrung machen, dass alles, was wir tun, Früchte trägt. Niemand bekommt einen Bonus für zwei Monate Pause ausbezahlt. Wollen wir jedoch eine resiliente Organisation aufbauen und gesunde Arbeit ermöglichen, dann brauchen wir eine zirkuläre Perspektive, in der Produktion nur eine Phase des kompletten Kreislaufes ist.

Welche Potentiale liegen also im Winter?  

Diese Jahreszeit ist geprägt von Rückzug, Einkehr, Pause, Selbsterkenntnis, Langsamkeit und Rückblick. Es ist die Zeit, um sich auf die Kernqualitäten wie Wurzeln, Stamm und Hauptenergiequellen zu beziehen.

Fokussiere Dich als Mitarbeiter:in auf Arbeitsprozesse, die Behutsamkeit und Genauigkeit brauchen. Plane Dir mehr Erholung ein und nimm Dir Zeit für Heilung und Integration. Reflektiere Dein (Arbeits)-jahr und setze Intentionen für das neue Jahr.

Als Führungskraft ist es wichtig, dass Du Deinem Team mehr Freiraum für Erholung, Rückzug und Reflektion gibst. Unterstütze die mentale Gesundheit und die psychologische Sicherheit Deiner Mitarbeitenden. Setze Impulse für gemeinsame Retros, Initiiere den Abschluss von Projekten und ganz wichtig feiert die Erfolge Eures Jahres.