Verkörperte Führung

Die meisten Menschen, denen ich im Organisationskontext begegne, sind sehr viel im Kopf und wenig im Körper. Wenn ich auf das schaue, was wir in der Arbeitswelt produzieren, dann sind das Produkte und Dienstleistungen. Aber was ist mit Wahrnehmungen, Prozessen, Fragen und Erfahrungen?

Meine Haltung und mein Weltbild sind stark dadurch geprägt, dass eins der wichtigsten Güter, die wir als Mensch in unserer Existenz entwickeln sollten, die individuelle (Handlungs-)freiheit ist. Damit meine ich nicht Egoismus und das Durchsetzen des eigenen Stiefels, wie man es im deutschen Sprachgebrauch so schön formuliert. Sondern das Loslösen und Transzendieren von Glaubensmustern, Verhaltensweisen und Beschränkungen, die wir im Laufe unserer Reifung unbewusst übernommen und uns zu eigenen gemacht haben.

Alles, was wir sind, liegt eingraviert in unserem Körper. Unsere Anatomie, unsere Bewegungsmuster, unsere Gefühle. All das formt unsere Gedanken und das, was wir aus dem Verstand heraus Freiheit nennen. Aber erst, wenn wir im Körper Freiheit erfahren, ist es möglich im Kopf unbeschränkt zu denken und zu handeln.

Mit jeder körperlichen Praxis, die ich täglich mache, begreife ich immer wieder neu, wie sehr mein Körper das prägt, was ich denke und was ich fühle. Aus einem lebendigen, regulierten Zustand heraus habe ich keine „alten Gedanken“ mehr. Da wiederholt sich nichts. Sondern es ist eine Bergluft innerhalb derer sich der Weg eindeutig abzeichnet.

In wie vielen Meetings und Workshops saß ich schon, wo alle verkrampft versucht haben Komplexität mit dem Intellekt zu lösen. Und ich erlebe es immer wieder wie den Versuch ein Seil durch ein Nadelöhr zu pressen. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt, als die Annahme, dass der Verstand Komplexität abdecken kann. Ja, kann er, aber dabei bleibt die Praxis meist auf der Strecke und was entsteht, sind Luftschlösser und verstaubte Theoriemonster.

Nur der Körper kann Komplexität abbilden, transformieren und vor allem prozessieren. Das ist für den Verstand wahnsinnig schwer zu fassen, denn seine Grundbewegung ist linear, kontrollierend, greifend und verbindend.

Es ist nicht der Verstand, mit dem wir uns grandios auf Nichtwissen einlassen können, sondern es ist unser Körper.

Verkörperte Führung ist ein dynamischer Prozess, in dem sich sowohl das Individuum als auch das System dessen Teil es ist, kontinuierlich verändert und weiterentwickelt. Dabei kann sich ein Mensch auf verschiedene Körper in sich berufen, diese entwickeln und als Informationsgrundlage, Ressourcen und Bewusstseinsebenen für sich im Umgang mit Problemen nutzen.